Solidarische Landwirtschaft e.V. in Ravensburg [Kurzversion]

Solidarische Landwirtschaft Ravensburg

Wenn Lebensmittel keinen Preis mehr haben

Die Solidarische Landwirtschaft, kurz Solawi, auch Vertragslandwirtschaft, Gemeinschaftshof, Gemeinsame Landwirtschaft, Freihof, Versorgungsgemeinschaft, Kooperative Landwirtschaft oder im Englischen CSA (Community Supported Agriculture) genannt, ist ein Konzept welches vieles auf den Kopf stellt. Eine Gruppe von Verbrauchern gibt einem Landwirt eine Abnahmegarantie oder stellt ihn durch eine Organisation an. Der Landwirt bekommt durch die Verbrauchergemeinschaft eine im Voraus vereinbarte Summe, die ihm erlaubt kostendeckend zu wirtschaften. Im Gegenzug erhalten die Verbraucher alle produzierten Lebensmittel. Dabei wird nicht für die einzelnen Produkte bezahlt, sondern für die Dienstleistung des Landwirts oder Gärtners.

Was ist Solidarische Landwirtschaft?

Eine weitere Besonderheit ist, dass nicht jedes Mitglied den gleichen Beitrag bezahlt. Das benötigte Jahresbudget des Betriebes wird auf einer jährlich stattfindenden Versammlung von den Landwirten bzw. Gärtnern vorgestellt. Danach folgt eine Bieterrunde, in welcher jedes Mitglied die Summe, die es monatlich zu zahlen bereit ist, anonym auf einen Zettel schreibt. Dabei orientieren sich die Mitglieder an dem Richtwert, welcher sich aus dem Jahresbudget errechnet. Ergibt die Summe aller Zettel nach einer Auszählung das benötigte Budget, ist die Runde perfekt gelaufen und jeder zahlt seine angegebene Summe. Reicht die Gesamtsumme noch nicht aus, findet eine weitere Runde statt, in der jeder dazu aufgerufen ist, seine Summe ein bisschen zu erhöhen, soweit möglich.

Doch einige Nachteile hat auch dieses Konzept. Zuersteinmal braucht es eine große Gruppe an Menschen, die bereit sind, sich auf dieses Engagement einzulassen. Denn viele Menschen möchten zu jeder Zeit das essen, worauf sie Lust haben und nicht das, was gerade in der Saison verfügbar ist. Auch das Vertrauen in den Produzenten braucht es, denn gerade junge Landwirte haben oft noch sehr wenig Erfahrung im eigenverantwortlichen Anbau, schon gar nicht für so viele Menschen.

Erfahrungsgemäß ergibt sich bei den Mitgliedern eine jährliche Fluktuation von ca. 10%.

Mittlerweile gibt es in Deutschland rund 100 Betriebe, die nach diesem Konzept arbeiten. Nach Schätzungen des “Netzwerk Solidarische Landwirtschaft” sind zwei Drittel dieser Betriebe Gemüsegärtnereien.

Im April 2014 gründete eine zuvor entstandene Interessensgruppe den Verein “Solidarische Landwirtschaft Ravensburg e.V.”.

Solidarische Landwirtschaft Ravensburg e.V.

Bei der Solidarischen Landwirtschaft in Ravensburg lief vieles unüblich ab, so gab es hier zuerst die Kunden und dann die Produzenten. Schnell fanden sich  immer mehr Menschen, die bereit waren, mitzumachen. Das Land fand sich durch Familie Stiefel. Diese hat in dem Ort Hübscher einen Einsiedlerhof. Familie Stiefel bot dem Verein ein Stück ihres Landes zur Pacht an.

Schwieriger als die Suche eines geeigneten Stückchens Land gestaltete sich jedoch die Suche nach einem Gärtner. Mit vielen wurden Gespräche geführt, jedoch kamen keine Verträge zustande – die Gärtner sind vom Verein angestellt, wodurch der Verein ihr Arbeitsgeber ist.

Nach einiger Zeit fanden sich dann auch zwei Gärtner, sowie die Hofbesitzerin Frau Stiefel. Nach der ersten erfolgreichen Bieterrunde im Januar 2015 wurde die Anbauplanung erstellt und Anfang März ging es los.

Wie ist die Solidarische Landwirtschaft Ravensburg e.V. aufgebaut?

140 Mitglieder hat der Verein , davon knapp 90 gemüsebeziehende Mitglieder (Stand Februar 2016). Der Umsatz des Vereins generiert sich hauptsächlich aus dem Gemüsebeitrag (ca. 100 € pro Monat), welcher die Betriebskosten und eine gewisse Summe zur Darlehenstilgung und für Investitionen enthält.

David Steyer, unser Interviewpartner, hat eine Ausbildung in einem Demeter Betrieb gemacht, auch die anderen Mit-Gärtner haben größtenteils mehrere Jahre in Demeter Betrieben gearbeitet. Für alle war es selbstverständlich, dass nur ein ökologischer Landbau in Frage kommt. Sie richten sich hierbei grob an dem Richtlinien des Demeter Verbandes aus, brauchen dafür aber kein Siegel, denn sie “verkaufen” keine Lebensmittel und die Abnehmer können sich vor Ort immer wieder ein Bild davon machen, wie der Anbau aussieht.

Ein schwieriger Start

Gerade am Anfang war es schwierig, die Mitglieder zufrieden zu stellen, sagt David Steyer. Als junger Gärtner auf einem neuen Stück Land, welches bisher konventionell als Maisacker verwendet wurde, muss man sich zuersteinmal mit dem Boden vertraut machen. Für die Solidarische Landwirtschaft in Ravensburg ist es jedoch eine klare Prämisse; lieber etwas mehr anbauen und dann verschenken, als zu wenig zu haben.

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Momentan haben sie zwei Hektar Fläche, sowie zwei Gewächshäuser mit je 200m².

Wir schauen, dass wir jede Woche Salate ausliefern, ganzjährig. Jetzt wenn die Freilandsommersalate ausgehen, geht es mit Herbstsalaten, Zuckerhut usw. weiter. Prinzipiell ein Grundnahrungsmittel, ob jetzt Kartoffeln oder ein anderes Knollengemüse. Und im Sommer gibt es eine gewisse Schwemme, weil da alles da ist und jetzt zum Herbst hin geht es sehr schnell über in Kürbisse und Rote Beete, sodass man die Ernährung anpassen muss. Das ist aber durchkonzeptioniert, wir bauen alles an was an Grundgemüse möglich ist. Wir haben keine beheizbaren Gewächshäuser, das heißt , wenn die Tomaten und Gurken raus sind, geht es weiter mit Feldsalat, also relativ klassisch.
– David Steyer, Gärtner der Solidarische Landwirtschaft Ravensburg e.V.

Blick in die Zukunft

Für das erste Jahr war der Fokus ganz klar auf der Gemüseerzeugung. Jegliche weiteren Projekte wurden ehrenamtlich von den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaften durchgeführt, wie das große Kräuterbeet oder die Aktion “Deutsch auf dem Acker”, bei der Asylsuchende über den Acker geführt wurden um dabei deutsche Begriffe zu lernen.

Auch im zweiten Jahr wird das Hauptaugenmerk auf der kontinuierlichen Produktion des Gemüses stehen, zusätzlich zu der Optimierung und Anpassung der verschiedenen Abläufe. Ideen haben die Mitglieder und Gärtner des Vereins dennoch viele – von einer weiteren Nutzung der Fläche durch andere Projekte, wie soziale Nachmittagsbetreuung bis zum Anlegen eines Beeren-Gartens.

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Unser Fazit

Mit der Solidarischen Landwirtschaft e.V. in Ravensburg haben wir einen Betrieb besucht, der genau das macht, was wir zeigen möchten: junge Menschen, die in die Landwirtschaft einsteigen, gründen und ganz neue Wege gehen! Die Motivation ist ähnlich wie beim Demeter Betrieb “Haettelihof” aus dem ersten Porträt: die Produktion der Lebensmittel in die eigene Hand zu nehmen und den Kontakt zwischen Verbrauchern und Erzeugern enger zu gestalten.

Yes! We Can Farm wird als Projekt nicht mehr weiter geführt. Sie finden meine Dienstleistungen jetzt unter Grünes Wachstum.