Frank Hellmond lässt eine oberschwäbische Tradition wieder aufleben. In Ravensburg betreibt er eine kleine Ölmühle, die naturbelassene Saaten und Nüsse zu Speiseölen in Bio- und Rohkostqualität presst. Auch Leinsaat und Hanfnüsse werden hier verarbeitet, zwei Lebensmittel mit langer Tradition in dieser Region.
Noch vor hundert Jahren tauchte er die Felder rund um das oberschwäbische Ravensburg in ein helles Blau: Der Lein. Die Ölverarbeitung war damals eine richtige Branche in Oberschwaben. Zu Hochzeiten gab es in der Region in fast jedem Dorf eine Ölmühle, schon seit dem Spätmittelalter um 1380 hat die “Ravensburger Handelsgesellschaft” europaweit Produkte aus Lein vertrieben. Mit dem Aufkommen der Industrialisierung und der Globalisierung wurde die Leinverarbeitung seltener, bis es keine mehr gab, die Leinöl-Wirtschaft in der Region rund um Ravensburg starb weitgehend aus. Doch seit 2014 wird in Ravensburg wieder gepresst! Frank Hellmond, Gründer von “die ölkooperative”, lässt diese Tradition in seiner kleinen Manufaktur wieder aufleben. Neben einigen anderen Nüssen und Saaten, presst er dort zwei ehemals typisch-oberschwäbische “Feldfrüchte” zu Öl: Leinsaat und Hanfnüsse.
Wie kommt man dazu, in seinem Keller eine Ölmühle einzurichten und sich mit Leib und Seele der Pressung von Saat zu Öl zu verschreiben? Frank Hellmond und Claus Reutter, die 2014 zusammen “die ölkooperative” gründeten, sehnten sich nach einer beruflichen Veränderung. Hellmond war gelernter Drucktechniker, Reutter hatte BWL studiert, nun wollten beide gerne mit Lebensmitteln arbeiten. Nach der Lektüre des Buches “Leinöl macht glücklich” von Hans-Ulrich Grimm wussten die beiden: wir machen Leinöl!
Eine lange Experimentierphase begann, da das Pressen von Öl, ganz besonders von Leinöl, einige Erfahrung benötigt. Sie bestellten verschiedenste Leinöle und testeten die Geschmäcker, besuchten Seminare über das Ölpressen und besorgten sich eine Ölmühle, die von Anfang an auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten war, denn sie wollten nicht irgendein Öl pressen. Über Monate hinweg experimentierten die beiden mit verschiedenen Saaten, übten sich an der Technik und probierten Unmengen an Öl. Denn verschiedene Saaten brauchen verschiedene Temperaturen und verschiedenen Druck. Die Manufaktur richteten Frank Hellmond und Claus Reutter in Hellmonds Wohnhauskeller ein. Auf kaum mehr als 50 Quadratmetern befinden sich alles Nötige: Von Ölmühle, Wassertank für die Kühlung und Vorrat der Saaten, Nüsse und Kokosflocken für die Pressvorgänge der nächsten zwei Wochen über Behälter, Trichter, leere Flaschen, befüllte Flaschen bis hin zu Versandmaterialien, dem Verpackungstisch, Flyern und Weiterem.

“Kaltpressung macht einen großen Unterschied in der Qualität. Wirklich kaltgepresste Öle, bei denen während dem Pressvorgang eine Temperatur von 37 Grad nicht überschritten wird, schmecken frisch und nach dem Ursprungsprodukt. Durch die Wasserkühlung und das langsame schonende Pressen bleiben auch die wichtigen Fettsäurestrukturen erhalten.”
– Frank Hellmond
Ein krasser Unterschied dazu, wie Saaten die zu Speiseöl verarbeitet werden sollen teilweise behandelt werden, um den Ertrag zu steigern, den Geschmack zu mildern und das Öl für eine Erhitzung vorzubereiten. Entlecithinierung durch Erhitzen, Entschleimung durch Zugabe von Phosphorsäure, Entsäuerung durch Zugabe von Lauge, Bleichung durch Aktivkohle und Desodoriesierung, also das Entfernen von Geschmacks- und Geruchsstoffen durch ein starkes Erhitzen. Und auch viele Bio-Öle werden so behandelt, dass am Ende ein Produkt entsteht, welches nicht nur kaum Geschmack und Geruch hat, sondern bei dem auch viele wichtige Nährstoffe durch Erhitzung entfernt worden sind. Dies geschieht meist, damit sich die Öle länger lagern lassen.
“Wenn du im Supermarkt oder Bioladen ein Sonnenblumenöl kaufst und daran riechst oder es probierst, dann riecht und schmeckt es neutral. Warum schmeckt ein Sonnenblumenöl nicht nach Sonnenblumenkernen? Die meisten Ölmühlen sind Fabriken, so groß wie Mehrfamilienhäuser, dort werden die Ölsaaten mit Zügen und in kompletten Wagenladungen verarbeitet. Durch den hohen Druck können Temperaturen von bis zu 160 Grad entstehen, wodurch das Öl anfängt zu stinken. Daher muss es anschließend wieder desodoriert werden, also diese negativen Gerüche entfernt werden. Meine Öle sind kaltgepresst und nicht verändert worden, wodurch meine Öle noch lebendig sind. So binde ich mich an eine Temperatur, die ich auf jedem Etikett der Ölflasche platziere. So ist es für den Verbraucher klar zu sehen: gepresst unter 37 Grad.”
– Frank Hellmond
Was die Öle aus “die ölkooperative” von denen aus dem Supermarkt oder Bioladen unterscheidet: Für Frank Hellmond funktioniert reine, naturbelassene Qualität am besten, wenn die Verarbeitung in wenigen Schritten vollzogen wird. So fallen bei fast allen seiner Öle nur ein bis drei Verarbeitungsschritte an. Die Saat wird in die Ölmühle gefüllt und dort langsam von einer Schnecke befördert, dann zerkleinert. Dadurch werden flüssige und feste Bestandteile voneinander getrennt. Das Öl fließt nach unten in einen Auffangbehälter, die festen Reste, Ölkuchen oder Trester genannt, werden aufgefangen und je nach Saat weiterverarbeitet zu Produkten wie Hanf oder Leinmehl, welches als Nahrungsergänzungsmittel oder Tierfutter Verwendung findet. Das gepresste Öl lagert nun 2-3 Tage im Kühlschrank, damit sich die noch im Öl befindliche Feststoffe am Boden ablagern können – diese werden von den meisten Kunden im Öl nicht gewünscht, wenngleich auch sie viele Nährstoffe enthalten. Nach dieser Wartezeit schöpft Frank Hellmond das klare Öl von oben ab und füllt es in Flaschen. Fertig ist der Verarbeitungsprozess!

“Ich presse verschiedene Größen von Samen, von Sesam über Kokosflocken zu Hanfnüssen und Sonnenblumenkernen. Dabei benötigt jede Saat eine unterschiedliche Einstellung bezüglich Mechanik und Temperatur. Beim Pressvorgang fällt die Saat aus dem Vorratstrichter nach unten in eine Schnecke, welche diese nach vorne befördert bis zu einem Anschlag, zu einer Art Messer, welche die Saat aufbricht. Dadurch wird das Öl freigegeben und fließt nach unten am Seiher ab in eine Auffangwanne, durch welche das Öl in einen Auffangbehälter fließt.
– Frank Hellmond
Eine spezielle Wasserkühlung und eine sensorüberwachte Regelanlage sorgt bei Hellmonds Ölmühle dafür, dass die Auslauftemperatur des Öles nie über 37 Grad steigt, da über dieser Temperatur wertvolle Vitamine und Enzyme zerstört werden. Sein Öl ist daher wirklich kaltgepresst und hat Rohkostqualität. Frank Hellmond erzählt mir, dass der Begriff “kaltgepresst” vom Gesetz her nur bedeutet, dass während dem Pressvorgang keine Wärme extern zugeführt wurde um einen höheren Ertrag zu gewinnen. Doch allein durch den Pressdruck wird in anderen Ölmühlen oftmals eine Temperatur von 150 Grad erreicht, womit diese Öle zwar “kaltgepresst” wurden, jedoch bei weitem nicht mehr in Rohkostqualität sind und weniger Nährstoffe enthalten, als ein “wahrhaftig” kaltgepresstes, frisches Öl. Bei Frank Hellmond werden einzig die Haselnüsse und Kürbiskerne (im übrigen das einzige Öl, welches nicht bei ihm vor Ort gepresst wird!) vor dem pressen geröstet, um einen intensiveren Geschmack zu erreichen.
Doch auch ohne erhitzen sind seine Öle aus Lein, Hanf, Leindotter, Haselnuss, Kürbiskern, Sonnenblume, Sesam und Kokos lange haltbar. Das empfindlichste Öl, aus der Leinsaat, ist am besten möglichst frisch zu genießen und hält sich gekühlt ca. 12 Wochen. Danach ist es zwar auch noch genießbar, allerdings verlieren sich die Omega 3 Fettsäuren nach dieser Zeit. Andere Öle wie Sonnenblumenöl halten sich bis zu einem Jahr. Hellmond empfiehlt, alle seine Öle im Kühlschrank aufzubewahren. Damit es gar nicht dazu kommt, dass die Öle bis zu einem Jahr aufbewahrt werden müssen, werden sie nur in kleinen Flaschen in den Größen 100ml und 250ml verkauft, so sind sie immer möglichst frisch.

Bei der Verarbeitung in der Küche sollte darauf geachtet werden, dass die Öle, mit Ausnahme des Kokosöls, nicht erhitzt werden. Nicht erhitzt finden die Öle Verwendung in der kalten Küche oder zum Verfeinern. So bleiben die Inhaltsstoffe erhalten und auch der Geschmack kann sich komplett entfalten.
“Bitte benutzen Sie unser Bio Sesamöl nicht zum (An)braten, sondern nur zum Verfeinern Ihrer (fast) fertigen, warmen Speisen wie Wokgemüse, Nudel- oder Reisgerichte, aber auch für Gegartes und Gedünstetes. Passend z.B. über Fisch, Fleisch und Geflügel. In der kalten Küche ist unser Bio Sesamöl auch für Salate, Rohkost und zum Verfeinern von Suppen und Soßen geeignet.”
– Frank Hellmond
Rohwaren in Bio-Qualität bezieht Hellmond vorwiegend von einem Naturkosthändler aus Hamburg, der ihm schon seit der Gründung eine gute und gleichbleibende Qualität liefert. Regionalität ist Hellmond jedoch wichtig, weswegen er, wenn möglich, versucht Rohwaren aus der Region zu beziehen. Seine Leindottersamen bezieht er über eine Allgäuer Ölmühle, die Saat wird im Allgäu angebaut. Neben Bio-Haselnüssen aus der Türkei presst er auch konventionelle, aber ungespritzte Ware aus Lippertsreute am Bodensee.

Auch für Leinsaat hat Hellmond einen Bio-Bauern gefunden, der in der Bodenseeregion anbaut. Hier muss er zunächst prüfen, ob die Qualität stimmt. In seinen ersten Pressversuchen war die Saat zu trocken und er erzählt, dass Leinsaat aus Deutschland aufgrund des feuchteren Klimas oftmals modrig oder erdig schmeckt. Lein aus Italien, Tschechien oder Osteuropa wächst auf trockeneren Böden und kommt als Öl bei den Kunden besser an. Regionalität allein reicht nicht aus – es muss dem Kunden ja auch munden! Nun wartet Hellmond die nächste Ernte des regionalen Bio-Bauern ab, um dem Traum vom Leinöl aus der Region einen Schritt näher zu kommen.
Einfach war es nicht, sich mit der Ölmanufaktur selbstständig zu machen. Zunächst in Partnerschaft von Frank Hellmond und Claus Reutter gegründet, merkten beide nach einiger Zeit, dass die Zusammenarbeit schwierig war. Sie entschieden, dass Hellmond alleine weiter machen würde. Hellmond suchte sich einen Beruf, der sich mit der (Neben-)Selbstständigkeit vereinen ließ und arbeitet zwei Jahre lang morgens, um anschließend in seiner Manufaktur Öl zu pressen, abzufüllen und Pakete zu packen. Einleuchtend, dass dies eine anstrengende Zeit war, die sich aber bezahlt machte. 2014 gegründet, war Hellmond im Frühjahr 2016 dann soweit, sich Vollzeit seiner Ölmühle zu widmen. Nicht nur, dass die Firma mittlerweile genug Geld zum “Überleben”, wie er es beschreibt, abwarf, auch war der zeitliche Aufwand als nebenberufliche Tätigkeit nicht mehr zu bewältigen. Der Schritt, die Ölmühle in Vollzeit zu betreiben, war eine gute Entscheidung für ihn, denn als Ölhersteller mit Manufaktur im Keller seines Wohnhauses fühlt er sich wohl.

Neue Produkte werden nur aufgenommen, wenn Frank Hellmond mit der Qualität 100% zufrieden ist und sie ihn geschmacklich überzeugen. Auch gesund müssen sie sein. Lust auf neue Produkte hat er, so lässt er sich immer wieder Proben weiterer Saaten zum Probepressen zuschicken. Aktuell liebäugelt er mit regionalem Mohn – So wächst das Sortiment langsam, aber stetig. Gerne möchte Hellmond, dass sich sein kleines Unternehmen weiter entwickelt, die Manufaktur soll jedoch am aktuellen Ort bleiben und er wünscht sich, dass jede Flasche von ihm abgefüllt wird und er jede Charge probieren kann. So würde der zeitliche Rahmen ihm noch erlauben, dass sich der Umsatz seines Unternehmens verdoppelt und auch gerne soll. Ein Interesse an einem zu großen Wachstum hat er jedoch nicht, Angestellte möchte er keine haben. Bodenständig ist er, mit dem Fokus auf seine Produkt- und Lebensqualität.
Zu kaufen gibt es Hellmonds Öle und einige weitere Produkte, wie die rohen Saaten sowie Hanf- und Leinmehl bei ihm vor Ort in Ravensburg. Jeder Interessierte bekommt bei einem Besuch auch gerne eine kleine Führung in seiner Manufaktur. Außerdem verkauft Hellmond seine Produkte in seinem Online-Shop, auf Märkten und Messen, die er jedes Jahr besucht und bei verschiedenen Verkaufsstellen in der Region Oberschwaben. Für seine Produkte kommen Stammkunden von weit her, manch einer fährt extra 100 Kilometer, um sich seine Waren persönlich abzuholen, andere kommen jeden Monat um sich frisch mit ihrem Bedarf von vier Flaschen Leinöl einzudecken. Weiterhin ist Hellmond auf der Suche nach Wiederverkäufern.

Leinöl macht glücklich – bei Frank Hellmond ist es nicht nur der Konsum, der ihn glücklich macht, es ist auch die Herstellung und seine besonderen Produkte. Man spürt, wie sehr er hinter seinen Produkten steht und wie Qualität für ihn die Basis seiner Tätigkeit ausmacht. So ist er glücklich und seine Kunden auch – noch nie hat sich jemand bei ihm über seine Produkte beschwert. Und wir wissen ja “Ned gschmipft isch gnua globt”, der Schwabe genießt schweigsam!
Yes! We Can Farm wird als Projekt nicht mehr weiter geführt. Sie finden meine Dienstleistungen jetzt unter Grünes Wachstum.
